Siegener Zeitung, 26.05.2001 Liebe, Macht und Gottesfurcht Siegener Autor Otto Abt erzählt aus dem "Mahabharata" Ein lichtes Wäldchen, das sanfte Rauschen eines Flusses, ein junger Mann sagt zu seinem Vater: "Deine Ruhe, deine Friedfertigkeit und deine Kraft holst du dir von diesem Ort. Hier begegnest du den Göttern." Der junge Mann, der das Geheimnis seines Vaters begreift, ist Sentanu, ein Protagonist des indischen Epos "Mahabharata". Und Geheimnisse, also entdeckenswerte Erkenntnisse, die weitergedacht und umgesetzt werden wollen, birgt das "Mahabharata" in seinen 90000 Doppelversen viele, verpackt in einen kunstvoll gewebten Teppich aus Geschichten: Indiens wirklich monumentaler Beitrag zur Philosophie, Ethik und Literatur der Welt. Der Siegener Autor und Asienkenner Otto Abt hat sich schon seit langem in den Bann dieser gewaltigen Erzählung ziehen lassen. Und nun hat er seiner Begeisterung über das in ganz Asien intensiv rezipierte "Mahabharata" einen Buchtitel gegeben: "Von Liebe und Macht - Das Mahabharata neu erzählt" heißt der 182 Seiten starke Band, der kürzlich im Horlemann Verlag, Bad Honnef, erschienen ist. Am Wochenende wurde das Buch übrigens mit großem Erfolg im Frankfurter Völkerkundemuseum in Gegenwart des indonesischen Generalkonsuls Otto Sidharto Soeria Atmadja vorgestellt. Abt erzählt einzelne Geschichten aus dem "Mahabharata" neu und gestrafft - und anders geht es auch nicht. Zu vielfältig sind die Erzählstränge, zu kompliziert die Verwandschafts- und Freundschaftsverhältnisse, die Feindschaften und die Eingriffe der Götter ins Menschenleben. Wissenschaftler haben ganze Nachschlagewerke erstellt, in denen die Personenvielfalt dieses breit dahinrollenden Epos aufgeknotet wird. Otto Abt spricht mit seiner Stimme - Philologen vielleicht ein Dorn im Auge. Aber hier geht es um einen literarischen Anspruch: die Adaption ans Heute. Der Autor - bekannt als Lyriker und Leiter des Siegener Gamelan-Orchesters - erzählt die Geschichten neu. Sprachlich und inhaltlich gestrafft, kann ihnen nun auch der ungeduldige Mitteleuropäer folgen. Dennoch verlieren die einzelnen Kapitel der uralten Familien- und Kriegssaga, in der es um das rechte Verhalten der Menschen zwischen Liebe, Macht und Gottesfurcht geht, nichts von ihrem Reiz. Was Abt erzählt, behält seinen Ernst, seine Intention. Trotzdem - und das macht das Lesen vergnüglich - schaut den Leser der Schalk des Erzählers aus allen Geschichten an. Die großen und kleinen Geheimnisse, die das "Mahabharata" preisgeben kann, werden nicht mit pädagogischer Verbissenheit offengelegt. Im Gegenteil, weil Abt die einzelnen Kapitel Themen zuordnet, erleichtert er den Zugang zum Wesentlichen. Und verblüfft stellt der Leser fest: Was da erzählt wird, das fühlt sich bekannt an. Das Vertrauen ins Leben lässt den Sinn entstehen, den doch jeder für sich selbst finden muss. Das ist die Wahrheit des "Mahabharata". Otto Abt ist es zu danken, dass er den Zugang zum Geflecht der Geheimnisse finden hilft. Ein Buch, in dem zu schmökern, über das nachzudenken sich lohnt. Und es ist ein Buch, das Interesse an und Verständnis für Asien weckt. Das aber ist heute bitter notwendig. zurück zur Übersicht Bücher |